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    Zuletzt aktualisiert: 07.05.2014 um 07:19 UhrKommentare

    Die USA lernten Europa kennen

    Jahrzehntelang hielten sich die Vereinigten Staaten von Amerika aus Konflikten anderer heraus. Doch 1917 setzte die neue Weltmacht ihren ersten Schritt nach Europa.

    Foto © APA/Picturedesk

    Der Erste Weltkrieg war auch ein Krieg, bei dem es um internationale Verkehrswege ging, die den freien Transport von Menschen und Waren garantieren sollten. Die Sicherheit dieser Routen war entscheidend. Vor allem England benötigte Rohstoffe und Fertigprodukte aus den USA. Als am 7. Mai 1915 die Lusitania, eines der allergrößten Schiffe, die den Atlantik querten (mit bis zu 2200 Passagieren und 800 Mann Besatzung), vor der Südküste Irlands durch ein deutsches U-Boot versenkt wurde, starben 1200 Menschen, darunter 128 Staatsbürger der USA. Das Schiff gehörte einer Liverpooler Reederei und segelte unter britischer Flagge, die deutschen U-Boote hatten die Aufgabe, die transatlantischen Versorgungslinien zu blockieren.

    Obwohl dies die größte Versenkungsaktion des gesamten Weltkrieges bleiben sollte, traten die USA nicht in den Krieg ein. Im Gegenteil: Obwohl wirtschaftlich der Entente wesentlich mehr verbunden als den Mittelmächten, hielt sich Präsident Wilson aus dem Krieg heraus. Bei der Kampagne für seine Wiederwahl im Jahr 1916 war "He kept us out of war" die Losung der Wilson-Anhänger. Zu sehr waren die USA ein Einwanderungsland, zu viele Bewohner kamen gerade aus Zentraleuropa, dem Gebiet der Mittelmächte, zu sehr war Wilson auch auf die Stimmen dieser Zuwanderer angewiesen. Die Unterstützungen liefen aber in Richtung England. Munition, Waffen, Lebensmittel, Industriegüter und auch Kredite machten die USA immer reicher, England immer abhängiger. Die formale Äquidistanz war real eine klare Parteinahme. Deutschland, wie die USA relativ spät in den imperialistischen Wettlauf eingetreten, war für Amerika der Konkurrent. Und im Atlantik waren es bald die wendigen, kleinen deutschen U-Boote, die die bedrohlichste Waffe waren.

    Die Kriegserklärung

    Nach dem dramatischen Zwischenfall mit der Lusitania gab Deutschland die Zusage, Angriffe auf neutrale Schiffe zu unterlassen. Mitten in die Versuche der USA hinein, in Europa vermittelnd aufzutreten, verkündete Deutschland im Jänner 1917, dass mit 1. Februar der uneingeschränkte U-Boot-Krieg wieder aufgenommen werden sollte. Daher brachen die USA am 3. Februar die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab. Am 6. April erklärte Wilson Deutschland den Krieg. Es dauerte allerdings neun Monate, bis zum 7. Dezember 1917, bis auch eine Kriegserklärung an Österreich-Ungarn übergeben wurde. Dort saß nicht der Hauptfeind, nur der Verbündete des Hauptfeindes. Und es gab in den USA ein umtriebiges, vor allem tschechisches Exil, das die Zerschlagung Österreich-Ungarns als politisches Ziel ansah.

    Die USA waren zwar im Krieg, aber die USA waren kein Kriegsschauplatz. Tote und Verwundete gab es "nur" in Übersee. Rund 100.000 Amerikaner fielen, deutlich weniger als Jahrzehnte zuvor im Bürgerkrieg und nicht viel mehr, als die Kanadier, die Australier oder die Inder an Verlusten zu beklagen hatten. Dennoch: Der Krieg war auch für die Vereinigten Staaten ein Wendepunkt. Die USA waren zur führenden Wirtschaftsmacht aufgestiegen, das Verhältnis von Schuldnerstaaten und Gläubigerstaaten hatte sich umgekehrt. Und die USA sahen sich selbst als die neuen Vorkämpfer für Demokratie, Liberalismus, Freihandel, als die legitimen Erben von Aufklärung und Modernisierung, als die Bewahrer der Menschenrechte.

    Im Bewusstsein, die Neugestaltung der Welt entscheidend mittragen zu müssen, wurde schon wenige Wochen nach der Kriegserklärung an Österreich-Ungarn das amerikanische Modell einer Weltordnung nach dem Krieg verkündet. Vor beiden Häusern des Kongresses stellte Wilson seine "14 Punkte" vor, eines der zentralen Dokumente, auf die sich, oft fälschlicherweise, die Friedensverhandlungen bezogen. Wilson war überzeugt, das Richtige zu tun ("doing the right thing"), aber sein Konzept war nur Ausdruck eines Politikverständnisses, das noch tief im 19. Jahrhundert wurzelte.

    Die 14 Punkte vom 8. Jänner 1918 hatten einige klare, aber auch einige unklare Botschaften zu vermitteln. Klar war das Ziel der Befreiung und Wiederherstellung Belgiens, ebenso der Punkt, dass Elsaß-Lothringen an Frankreich zurückgehen sollte. Und auch die Gründung einer "general association of nations", also eines Völkerbundes, mit dem künftig territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit garantiert werden sollten, war ein definiertes Ziel. Freiheit der Meere und Freihandel, klar den wirtschaftlichen Interessen der USA geschuldet, all das wurde auf der Ebene der Staaten, nicht der Menschen festgemacht.

    Selbst dort, wo die 14 Punkte besonders tief in die Emotionen der Betroffenen eingriffen, in der Frage der Grenzziehungen nach dem Zerfall der multinationalen Imperien, ist vom "Selbstbestimmungsrecht der Nationen", nicht von der Entscheidung des einzelnen Menschen die Rede. Das "Selbst" bleibt in der amerikanischen Sicht ein kollektives Abstraktum. Und die koloniale Frage wurde, obwohl Inder, Afrikaner etc. in den alliierten Armeen kämpften und für diese bluteten, im Sinn der alten Imperialisten festgeschrieben. Die Ordnung der Welt war eine Aufgabe der überlegenen "Weißen".

    Im Einsatz

    Im Sommer 1918 traten US-Divisionen geballt am westeuropäischen Kriegsschauplatz auf. Die deutschen U-Boote hatten diese Truppenbewegungen nicht entscheidend behindern können. Die letzte deutsche Offensive zerbrach an dieser Übermacht. Die USA hatten also nicht nur unterstützend mit Lebensmitteln und mit Waffen den Krieg mitentschieden, sondern letztlich auch mit dem Blutzoll ihrer Soldaten. Nicht nur an der Westfront, auch in Italien waren US-Soldaten im Einsatz. Ernest Hemingway hat seine Erlebnisse, literarisch überhöht und nicht wirklich autobiografisch, in seinem Roman "A Farewell to Arms" (deutscher Titel: "In einem andern Land") nachdrücklich verarbeitet.

    Die Vereinigten Staaten von Amerika entschieden also den Krieg. Sie waren auch, zumindest in wirtschaftlicher und machtpolitischer Sicht, die eigentlichen Sieger dieses Krieges. Aber sie waren nicht die Nachkriegsgestalter. Der enttäuschte Rückzug in die Isolation, die Nichtratifizierung der Friedensverträge und das Fernbleiben vom Völkerbund ließen jenen Siegern, die ganz konkrete Lösungen durchsetzen wollten, jenen Handlungsspielraum, der die letztlich fragile Ordnung der Zwischenkriegszeit schuf.

    HELMUT KONRAD

    Fakten

    Mit ihrem Kriegseintritt mussten die USA eine schlagkräftige Armee aufstellen. Im Mai 1917 verabschiedete der Kongress die Dienstpflicht für alle Männer zwischen 21 und 30 Jahren, im August 1918 auf 18 bis 25 Jahre ausgeweitet.

    Man bildete die jungen Soldaten in Schnellkursen aus. Bis Mitte 1918 hatte der Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Europa, General John Pershing, seine Truppen auf die Stärke von einer Million Mann gebracht.

    Nach diesem Sechssternegeneral Pershing (dieser höchste Rang "General of the Armies of the United States" wurde 1976 nur noch posthum an George Washington vergeben) benannten die USA übrigens Kurzstrecken- und Mittelstreckenraketen, die während der Ära des Kalten Kriegs in Deutschland stationiert wurden.

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